Was ist eine kurdische Frau? Was definiert sie?
Es gibt eine Vielfalt an Charakteren und Lebensentwürfen.
Ich kann also nicht sagen, ich erzähle die Geschichte „der“ kurdischen Frau, da es diese so nicht gibt. Meine Arbeit stellt bewusst exemplarisch Gedanken und Hoffnungen kurdischer Frauen dar, die jedoch Gemeinsamkeiten aufzeigen:
Stolz, Zweifel, Zerbrochenheit, Leidenschaft, Angst, Zusammenhalt, Freiheit und Widerspruch.
Ich stelle meine Fragen an Kämpferinnen, Mütter und Studentinnen, aber auch an mich selbst: darüber, in welchen Erinnerungen ich mich selbst erkenne.
»Ich wollte der Partei schon immer zugehören und habe dies dann auch im Alter von 16 getan. Das hinausschieben lag nur daran, da jeder der Meinung war, ich sei noch zu jung für den Beitritt. 2005 gab es sehr viele Märtyrertode, deswegen kam ich dann endlich in die Partei.«
Die Bedeutung des Geschlechtes und mit ihr einhergehend die Bedeutung der Freiheit:
Wie das Werfen einer Münze.
– Kein Kommentar
»Wir sind vor dem Islamischen Staat geflohen, welcher Şengal attackiert hat und viele yezidische Frauen und Mädchen entführte und verkaufte. Manche Menschen wurden attackiert und manche wurden umgebracht.«
»Ich persönlich könnte mir vorstellen zurückkehren. Leider weiß ich nicht, was meine Kinder dazu sagen würden. 9 Kinder habe ich zur Welt gebracht. 3 davon sind mit mir nach Deutschland gekommen und 2 sind uns gefolgt. Falls sie nicht mit mir zurückkehren wollten, würde ich ebenfalls hier bleiben.«
Ein lachendes Gesicht vertieft in ein leuchtendes Rechteck.
Geräusche von tippenden Fingern gefolgt von leuchtenden Augen.
Ein größeres Rechteck an der Wand öffnet sich und aus ihr kommt eine
große Gestalt mit schmerzhaften Händen, welche sich, in das zuvor mit
leuchtenden Augen gefüllte Gesicht, verhaken und dieses gegen die Wand schleudern.
– Jugenderinnerung mit meiner Cousine
Strenge, in zwei erschöpften Augen und zwischen diesen, tiefe Schluchten und Hügel, die ihre Geschichte zu erzählen versuchen.
Weil sie es nicht können, spricht die mit Schluchten übers.te Lippe:
»Du bist nicht weniger Wert als Andere und nicht mehr Wert. Merk dir das!«
– Kindheitserinnerung an meine Mutter
»Die Willenskraft der Frau wurde stets versucht vernichtet zu werden. Dagegen kämpfen wir.«
»Im Blut der Kurdischen Frau fließt Rebellion und Adel und sie sind autoritär. Sie haben sich nie von Männern unterschätzen lassen. Sie waren bei Kämpfen stets an der Front. Das System hat Angst vor der Kraft der Kurdischen Frau. Das System hat Frauen verachtet, hat sie unter dem Namen ›Ehre‹ zu Hause eingesperrt und umgebracht.«
»Dies ist durch Serok Apo zu Stande gekommen. Er hat Frauen ermöglicht sich ihrer eigenen Kraft bewusst zu werden.«
Ein Mädchen.
Ein Mädchen.
Ein Mädchen.
Noch ein Mädchen.
Ein Junge.
Stop.
– Erinnerung an eine Geburt
»Sie haben sich der Gesellschaft in Deutschland angepasst. Ihnen ist bewusst geworden dass Unterdrückung nichts bringt.«
»Es macht sie unglücklich und krank was sich im Laufe der Zeit auch körperlich äußert. Unterdrückung bedeutet ein unglückliches Leben und führt zu Depressionen.«
»Jegliche Unterdrückung, welche ich in der Vergangenheit erlebt und nicht anerkannt habe, zu sehen wie manche Kurden sind, hat mich zu dem Menschen gemacht der ich heute bin. Nur weil ich frei lebe, heißt es nicht, dass ich ein schlechter Mensch bin. Ich verfolge meine Ziele und kann richtig von falsch unterscheiden.«
Ein Meer aus Farben und Stoff. Lange schweigend und ruhend, doch Stück für Stück sich hastiger
bewegend. Wie Wasserfarbe vermischen sich die einzelnen Töne
und werden zu einem lauten Lila.
– Erinnerungen an Frauendemonstrationen
Rot verzierte Lippen, welche sich im ständigen Rhythmus zu Gesehenem und Gehörtem bewegen.
– Erinnerungen an Abende nur mit Frauen
»Wir hatten keine Berufung, durften keine Meinung haben, jedoch dies hat sich die letzten Jahre durch die Kurdische Bewegung geändert. Früher durfte die Kurdische Frau sich zu keinem Thema äußern, doch heutzutage haben wir auch einen Platz auf dieser Welt.«
»Wir sind vor der Unterdrückung des Türkischen Staates, bei welcher mein Mann verhaftet und gefoltert wurde, geflüchtet.«
»Ich wurde mit 16 zwangsverheiratet. In diesem Alter wusste ich noch nicht mal wirklich was eine Ehe bedeutet.«
»Manche Familien haben so lange Kinder auf die Welt gebracht, bis schließlich eines ein Junge geworden ist. Falls die Frau keinen männlichen Stammhalter gebären konnte, verschaffte sich der Ehemann eine Zweitfrau.«
Tanzende Gestalten, sich bewegend im Rhythmus der Masse.
Funkelnd, drehend und an den Hüften von Gold umarmt.
– Erinnerungen an Hochzeiten
»Dies ist eine schwierige Frage, da es keinen Unterschied zwischen der Aufgabe einer Frau und der eines Mannes geben sollte.«
»Das Klischee, dass Frauen schwächer sind als Männer, kann man nur physisch betrachten. Psychisch ist dies wiederum anders. Es ist eine sehr veraltete Denkweise, die immer noch in Gedanken verankert ist. Den Unterschied macht nur die Gesellschaft.«
»Wenn es um Frauen geht werde ich auch mal lauter und versuche mich durchzusetzen.«
Nein.
– Kein Kommentar
»Früher war ich ganz anders, individualistischer. Bei der Partei bin ich sozialisiert und diszipliniert worden.«
»Bei der PKK gab es eine neue Art von Leben und Beziehung. Dies habe ich gespürt und es gefiel mir. Da habe mich entschlossen der PKK beizutreten und Guerilla zu werden. Nun bin ich hier.«
Von einem roten Band umarmt und
bewahrt.
Wie ein Damm, der den Strom und die
Kraft des Wassers zu halten versucht,
um schließlich eines Tages überzulaufen,
zu vertrocknen oder gar mit Gewalt
durchbrochen zu werden.
– Erinnerung an Gespräche über die Wichtigkeit
des Jungfernhäutchen
»Ich habe mit 17 geheiratet und war 6 Jahre in dieser Ehe. Dennoch habe ich keine Kinder, da ich während dieser Jahre, 6 Fehlgeburten hatte.«
»Ich wurde als Sklavin betrachtet. Ich durfte nicht mal, nach dieser Ehe, meine eigene Familie sehen.«
»Hier habe ich das Leben, die Gleichberechtigung, die Freiheit und die Wertschätzung der Frau kennengelernt.«
»Mich fragen meine Genossen oft: ›Wieso bist du so glücklich, du hast doch so viel Schlechtes gesehen?‹ Daraufhin sage ich immer: ›Hier bin ich Glücklich und bin mir meiner Individualität bewusst.‹«
Zwei Ebenbilder meines Ichs,
sich hinter braunen Augen
versteckend, sich streitend darüber,
was richtig und falsch ist.
– Erinnerungen an innengeführte Konflikte
»Das Paradoxe ist, dass wenn man sich in so einem Fall unterdrücken lässt, man von anderen gelobt wird.«
»Dass eine geschiedene Tochter auch noch abhaut, ist eine noch größere Schande, deswegen haben meine Eltern mir doch noch Hilfe angeboten. Nicht mir zu liebe, sondern damit Andere nicht denken, dass ich abgehauen sei um rumzuhuren. Dennoch habe ich mich dazu entschieden zu gehen.«
»Ich habe früher sehr fest an Liebe geglaubt, jedoch nach all dem was passiert ist, habe ich meinen Glauben daran verloren.«
»Meine Mutter, obwohl sie selber eine Frau ist, war immer gegen sie. Es war immer wichtiger, was andere Menschen über uns dachten.«
»Meine Eltern haben mir immer gesagt, dass ich gar nicht zur Schule gehen bräuchte, da ich ja eh irgendwann heiraten werde. Meine Brüder dagegen, sollten jeden Tag die Bildung dieser genießen, damit sie auch irgendwann eine gute Arbeit finden um Geld zu verdienen.«
Ein Teppich aus Händen, der dich halten kann, wenn sich deine Form in die ihrer anpasst.
– Erinnerung an geschenkte und entzogene Liebe
Regeln und Tabus,
die wie Schleifpapier das »Ich« Stück für Stück stumpf und in Form reiben.
– Erinnerungen an Besuch der Verwandtschaft
»Ich meine, wenn ein Mann eine Frau angreift, ist es wahrscheinlicher dass diese sich nicht wehren kann. Eine Frau ist schwächer, jedoch ist sie es eigentlich, welche die Kinder auf die Welt setzt. Sie ist es, welche wichtiger für die Menschheit sein sollte. Ok, ohne den Mann gebe es keine Kinder, aber an sich, erträgt sie ja die ganzen Schmerzen.«
»Ich wäre eigentlich lieber ein Mann, bzw. hätte gerne die Freiheiten eines Mannes, einmal etwas zu dürfen, wenn man es möchte.«
Tugendhaftigkeit,
geschmückt mit Pailletten und schwarzen Linien um zwei braune Augen herum.
– Erinnerung an Cousinen die Besuch bekommen